Episode 120
Wir unterhalten uns über das Skript und suchen eine Antwort auf die Frage, ob das Skript nur einengend oder auch hilfreich und förderlich ist.
Hat das Skript auch Anteile, die hilfreich und förderlich sind?
Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, dass das Lebensskript nicht nur einschränkend ist, sondern auch Anteile enthält, die für das spätere Leben hilfreich sind. Wir jedoch in TA-Kreisen von Skript gesprochen, sind damit lediglich die einschränkenden Aspekte gemeint.
In dieser Episode suchen wir eine Antwort auf die Frage, ob denn nun das Skript auch förderliche Anteile oder halt doch nur die einengenden Bestandteile umfasst. Als Grundlage haben wir eine Sammlung von Aussagen zum Thema Skript erstellt (siehe unten). Im Laufe unseres Gespräch entsteht dann ein Bild, das unsere Ansicht sehr gut veranschaulicht. Lass dich überraschen!
Aussagen zum Skript
Skripts gehören in das Reich der Übertragungsphänomene, es sind Abkömmlinge, genauer Abwandlungen kindlicher Reaktionen und Erlebnisse. Aber im Skript geht es nicht nur um bloße Übertragungsreaktionen oder Übertragungssituationen; das Skript ist der Versuch, in abgeleiteter Form ein ganzes Übertragungsdrama zu wiederholen, oft in Akte aufgeteilt und in getreuer Anlehnung an die Bühnendramen, die intuitive künstlerische Abkömmlinge der primären Kindheitsdramen sind. Operational ist ein Skript eine komplexe Reihe von Transaktionen, die zwar auf Wiederkehr angelegt sind, sich aber nicht unbedingt wiederholen, da ihre vollständige Darbietung unter Umständen bereits ein ganzes Leben erfordert.
Eric Berne (2006): Die Transaktionsanalyse in der Psychotherapie, S. 115
Beim Skript handelt es sich um ein kontinuierliches (fortlaufendes) Programm, das in der Zeit der frühen Kindheit unter elterlichem Einfluss entwickelt wird und das das Verhalten eines Individuums in den wichtigsten Aspekten seines Lebens bestimmt.
Eric Berne (2012): Was sagen Sie, nachdem Sie ‚Guten Tag‘ gesagt haben?, S. 472
Ein Lebensplan, der auf einer in der Kindheit getroffenen Entscheidung beruht, in dem man von den Eltern bestärkt wird; der durch die nachfolgenden Ereignisse gerechtfertigt wird und dessen Höhepunkt eine selbstgewählte Alternative bildet.
Eric Berne (2012): Was sagen Sie, nachdem Sie ‚Guten Tag‘ gesagt haben?, S. 509
Bei einem Skript handelt es sich im Wesentlichen um den Bauplan, das Manuskript für einen Lebenslauf.
Claude Steiner (2009): Wie man Lebenspläne verändert, S. 63
Zwischen einem psychologischen Rollenbuch und einem Rollenbuch für die Bühne besteht eine überraschende Ähnlichkeit. Beide enthalten eine vorgeschriebene Rollenverteilung, Dialoge, Akte und Szenen, Themen und Verwicklungen, die einem Höhepunkt zustreben und mit dem Schlussvorhang enden. Ein psychologisches Rollenbuch ist das fortlaufende Programm für das Lebensdrama des Menschen. Es diktiert, was er mit seinem Leben macht und wie er es nutzt. Es ist ein Drama, das jeder Mensch zwangsläufig darstellt, auch wenn er sich dessen nur vage bewusst sein mag.
Muriel James und Dorothy Jongeward (1975): Spontan leben, S. 94
Ein Skript (Rollenbuch) ist ein ganz persönlicher Lebensplan, zu dem sich jeder Mensch in seiner frühen Kindheit entschieden hat, als Reaktion darauf, wie er die Welt erlebt hat.
Michael Brown, Stan Woollams und Kristyn Huige (2002): Abriss der Transaktionsanalyse, S. 62
Der Lebensplan (life script) bildet einen Selbstschutz und entsteht aus Introjektionen, Überlebensreaktionen und in der Kindheit getroffenen Entscheidungen; er besteht aus einer Reihe von fixierten Abwehrmechanismen, die verhindern, dass Gefühle und unbefriedigte Bedürfnisse der Kindheit bewusst werden. Er stellt eine Richtschnur dar – die Haupthandlung und die Nebenhandlungen -, um die herum unser tatsächliches Erleben kreist. Das Skript schränkt Spontaneität und Flexibilität bei der Problemlösung und in den Beziehungen zu anderen Menschen ein, denn die eigene Lebensgeschichte – einschließlich ihres Endes und der Hauptereignisse – wurde schon geschrieben, gewöhnlich in der frühen Kindheit. Auf einen kurzen Nenner gebracht beantwortet das Skript die Frage: „Was tut ein Mensch wie ich in einer Welt wie dieser mit Leuten wie dir?“ Der Lebensplan ist eine Wiederholung der nichtgelösten Dramen der Kindheit.
Richard G. Erskine und Janet P. Moursund (1991): Kontakt – Ich-Zustände – Lebensplan, S. 37
Dem Begriff liegt die Vorstellung zugrunde, dass schon das Kleinkind durch »Schlüsselerlebnisse« sich bis ungefähr zur Zeit des Schuleintritts ein bestimmtes Bild macht, (1.) von sich selbst, (2.) von den anderen, (3.) von der Welt und dem Leben als Ganzem und (4.) darüber, wie sein Leben verlaufen wird. Diese Vorstellungen bilden insgesamt das Skript als einen unbewussten, aber bewusstseinsfähigen Lebensplan oder Lebensentwurf.
Leonhard Schlegel (1993), Handwörterbuch der Transaktionsanalyse, S. 306
Unter Skript sind verschiedene Muster der Lebensgestaltung zu verstehen, wie sie sich einerseits aus der übernommenen Tradition (EL2 = Traditionsanalyse) und andererseits aus eher frühen Entscheidungen (K2 = Entwicklungsanalyse) ergeben.
Angelika Glöckner (2013): Zum Thema Skript. PDF auf angelika-gloeckner.de, S. 5
Nach meiner Auffassung ist das Skript eine sehr komplexe Zusammenstellung, bei der einige Seiten logisch aufeinanderfolgen und einige nicht, mit inhaltlichen Höhen und Tiefen, mit magischen Kehrseiten und Vermutungen, die sowohl positiv wie negativ sein können. Statt die Bildung eines Skripts durch das Kindheits-Ich zu bejammern, begrüsse ich diesen Prozess. Es ist ein Ausdruck menschlicher Kreativität, dass Kinder eine Möglichkeit finden, während eines der phantasievollsten Stadien ihres Lebens eine aufregende Geschichte für sich selber entwickeln.
Fanita English (1980): Was werde ich morgen tun? Eine neue Begriffsbestimmung der Transaktionsanalyse. In: Graham Barnes et al.: Transaktionsanalyse seit Eric Berne – Band 2, S. 173 – 174
In der TA nehmen wir an, dass Menschen am Anfang ihres Lebens eine Art Regieplan aufstellen. Dieser wirkt wie ein Regieplan bei einem Film oder einem Theaterstück. Er beeinflusst den gesamten Ablauf: ob das Leben ein lustiges oder ein tragisches wird, welche Art von Leuten darin vorkommen dürfen, welche nicht, z. B. auch, wie lange es dauert und auf welche Weise es endet. Diesen Regieplan nennen wir „Lebensskript“. Welche Art von Plan das ist, den wir da aufstellen, hängt davon ab, welche Erlebnisse wir in der Kindheit hatten, wie wir diese Erlebnisse interpretiert haben und welche Schlussfolgerungen wir daraus gezogen haben.
Jürgen Gündel (1990): Transaktionsanalyse, S. 56 – 57
Das Lebensskript ist ein Erklärungsmodell, das beschreibt, wie Menschen sich bereits als Kind einen Entwurf von ihrem Leben machen und davon, wie sie selbst und die anderen Menschen sind und wie ihr Leben zukünftig verlaufen wird. Da Kinder in dieser Entwicklungsphase nicht über volles Realitätsbewusstsein verfügen, ist dieser Entwurf zwar kreativ und kindlich logisch, aber oft auch unrealistisch, unlogisch und begrenzend. Um diese Begrenzungen der eigenen Entwicklung aufzuheben, ist das Erkennen und Verstehen des eigenen Lebensskripts so wichtig.
Almut Schmale-Riedel (2016): Der unbewusste Lebensplan, S. 12
Das Schreiben, Umschreiben und Überarbeiten des Lebensskripts ist ein fortlaufender, lebenslanger kokreativer Prozess, an dem zu Beginn des Lebens die Bindungspersonen und das Kind beteiligt sind. Kinder kreieren unbewusst ihre ganz eigene Wahrheit, intuitiv intelligent, zwangsläufig und notwendig, denn sie brauchen eine Orientierung in der Welt. Man könnte sagen: „Zum Glück gibt es ein Skript!“, denn es wäre vernichtend, ganz ohne Orientierung zu sein. Es braucht diesen Rahmen, diese abgesteckte Linie, an der entlang ein Mensch leben und eine schlüssige Geschichte über sich erzählen kann.
Bertine Kessel, Hanne Raeck und Dörthe Verres (2021): Ressourcenorientierte Transaktionsanalyse, S. 75
Höre jetzt unser Gespräch!