Transaktionsanalyse für's Ohr

Podcast

4. Dezember 2017

Die Autonomie-Matrix: auf wessen Schultern stehst du?

Episode 046

Wir stellen die Autonomie-Matrix von Julie Hay vor.


Shownotes

Wenn ich weiter als andere gesehen habe, dann nur deshalb, weil ich auf der Schulter von Giganten stand.
(Sir Isaac Newton)

Skript-Matrix
Autonomie-Matrix

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Artikel von Julie Hay (PDF)

Erwähnte Episode:


Unser Gespräch

Christin: Ja, hallo, guten Morgen.

Jürg: Hallo, herzlich willkommen zu unserer 46. Episode. Schon.

Christin: Schon, genau.

Jürg: Es läppert sich so zusammen. Schön.

Christin: Ja, bald unser 50., genau.

Jürg: Da haben wir ja schon angekündigt mal, dass wir dann die grosse Party steigen lassen.

Christin: Genau. Und vor allen Dingen auch ein Teil jetzt unserer Skriptserie. Ein weiterer Teil. Und damit ein neues Thema. Und wir haben jetzt bewusst mal gesagt, wir nutzen eine andere Art von Umgang mit dem Skript, mit der Skript-Matrix, ja. Die haben wir ja die letzten Male mit den Einschärfungen und mit den Antreibern gehabt. Und wir gehen diesmal in eine eher lösungsorientierte Richtung mit der Skript-Matrix von Julie Hay – oder Autonomie-Matrix.

Die Skript-Matrix

Skript-Matrix

Jürg: Genau. Und die Skript-Matrix oder auch so der Ursprung der TA ist ja klar in der Psychoanalyse oder Psychotherapie. Also Berne und Steiner und wie sie alle heissen waren ja Psychoanalytiker. Und die hatten natürlich den Fokus auch auf den krankmachenden Themen, auf der Pathologie. Deshalb auch so Begriffe wie „Schweine-Eltern-Ich“ und eben die Skript-Matrix, die sich konzentriert auf Einschärfungen („Sei nicht!“ etc.), Antreiber, dann auch das Programm, das wir nicht speziell besprochen haben. Und da ist es schön, dass es heute auch immer mehr den Fokus gibt, auf positive, konstruktive Aspekte.

Christin: Und es sind ja auch so eben die zwei Seiten der Medaille, die damit angedeutet werden. Also, die Julie Hay, man kann sich das einfach – wenn ihr uns jetzt hört, dann stellt ihr euch vielleicht die Skript-Matrix von Claude Steiner vor, die eben so ist, dass die Ich-Zustände in der Mitte stehen, die eigenen Ich-Zustände (Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich, Kind-Ich) und rechts und links jeweils eine Eltern-Figur auch mit den Ich-Zuständen beschrieben ist. Und die Pfeile gehen nach unten auf die in der Mitte befindliche Person, deine Person, liebe Hörerin, lieber Hörer.

Die Autonomie-Matrix

Autonomie-Matrix

Und die Julie Hay macht das einfach in einer umgekehrten Variante. Sie packt diese Ich-Zustände der Eltern-Figuren rechts und links etwas weiter nach unten und macht die Pfeile nach oben.

Jürg: Und wir werden diese grafischen Darstellungen auch in den Beitrag setzen, in die Shownotes. Also wenn du das auch ansehen willst. Wir geben dir dann am Schluss den Link noch durch. Und da kannst du nachlesen und das auch mal anschauen, wie das aussieht.

Was sagt denn jetzt die Julie Hay? Also wir haben ja darüber gesprochen, von Einschärfungen, die vom Kind-Ich der Eltern oder Elternfiguren zum Kind-Ich des jeweiligen Kindes vermittelt werden. Was sagt sie denn in der Autonomie-Matrix, was wird da vermittelt?

Christin: Ja, es wird eher darin aufgezeigt so die Idee, was bringst du denn mit von den Eltern oder Elternfiguren? Was habe sie dir denn mitgegeben? Von was kannst du zehren auch? Also eher diese Idee – und ich finde das Bild eben deswegen so wichtig und auch besonders, dass sie sagt – und da gibt's einen Ausspruch „standing on the shoulders of giants“, also ich stehe auf meiner Historie sozusagen – und ich stehe auf den Schultern meiner Vorfahren, was dieses positive Variante viel deutlicher nochmal macht. Nämlich was ist der Boden, auf dem ich stehe? Was davon ist das, was ich mitnehmen? Und was passt für mich und was hilft mir? Ja, also eher diese Idee: was ist das, was ich mitnehme, das mich stützt.

Jürg: Das wären dann beispielsweise Erlaubnisse?

Christin: Eher die Erlaubnisse. Aber auch so Dinge wie – wir hatten mal das Beispiel von dir, mit der Angst vor dem Hund – es könnte ja auch andersrum sein. Zu sagen: ich habe von meinen Eltern die Liebe zu Pferden. Oder die haben mich an den Sport herangeführt. Oder bei uns gab's besondere Rituale, die ich weiterführe und die mir helfen. Oder die Achtsamkeit für XYZ. Also sind ja auch Dinge, die – wie du gerade eben gesagt hast – die wir dann aus dem Auge verlieren und vergessen, wenn wir uns sehr stark auf den Fokus richten von: was ist denn mein Skript im negativen Sinne? Und was hindert mich daran…? Oder, oder … Und was sind eigentlich die positiven Sachen auch?

Jürg: Und da braucht es, denke ich, auch ein Reflektieren aus dem Erwachsenen-Ich, im Hier und Jetzt. Was will ich denn auch übernehmen davon?

Christin: Genau.

Skript oder Autonomie?

Jürg: Du hast das Beispiel gebracht: die Liebe zu Pferden. Das könnte ja dann auch ein Skriptthema werden. Dass ich mit Pferden aufgewachsen bin und muss jetzt halt reiten, meinen Eltern zuliebe. Dann wär's wieder so eine Skriptbotschaft. Und wenn ich das aber reflektiert übernehme, sage: „Jawohl, ich liebe die Pferde, ich liebe es, zu reiten.“ usw., dann wäre das sowas, das man dann in der Autonomie-Matrix einzeichnen würde.

Christin: Genau, du beschreibst es nochmals sehr schön. Es sind zwei Dinge. Einmal eher auch dieses „Was habe ich mitbekommen?“ im positiven Sinne zu sehen. Und das zweite ist tatsächlich, sich nochmal bewusst – im Sinne der Autonomie (deswegen heisst es Autonomie-Matrix) – sich entscheiden und achtsam umzugehen und zu sagen: Was hilft mir? Was passt für mich? Was will ich wirklich übernehmen? Was hilft mir weiter? Was erweitert vielleicht einfach auch meine Optionen, die ich habe? Und dann damit eben die Vielfalt auch.

Jürg: Und das heisst – wenn ich mir das so überlege -, man könnte dann auch sagen: „Ich mache eine Art Autonomieanalyse, neben der Skriptanalyse. Ich könnte mich mal hinsetzen und überlegen: Was habe ich denn alles mitgekriegt? Was haben mir meine Eltern sowohl als Vorbild, als auch an konkreten Dingen, die sie mir beigebracht haben oder die sie mir vermittelt haben … Für das mir mal bewusst zu machen, was ich da alles gekriegt habe.

Christin: Ja, ja, genau. Und was mir hilft da, sicherlich anders mit bestimmten Dingen umzugehen. Mir ist so ein Thema aufgefallen. Bei mir ist das Thema der Zeitstruktur. Ich werde immer wieder darauf hingewiesen, dass ich die Zeit einhalte. Und das ist – ich glaube – sowohl ein Skriptthema, als auch ein Autonomiethema, würde ich sagen. Das ist was, das ich mitgekriegt habe und was mich manchmal unter Druck setzt. Oder andersrum: ich plane einfach frühzeitig loszufahren. Dann setzt es mich nicht unter Druck, dann entscheide ich das autonom und sag, das hilft mir, so ist es besser für mich. Und auf der anderen Seite auch bei Seminaren – und das ist wirklich was, da setze ich mich nicht unter Druck – ich bin immer pünktlich fertig und ich weiss nicht, wie ich's den anderen beschreiben soll, wie ich es mache. Ja, also das ist sowas, wo ich so merke, da werde ich immer wieder darauf hingewiesen, wie strukturiert und auch zeitorientiert ich da in einem Seminar bin. Aber ich merke nicht, dass mich das irgendwie unter Stress setzt. Ich habe wohl eine Angewohnheit, immer wieder die Uhr zu checken, aber keinerlei, dass ich da das Gefühl hätte, ich würde mich da abwerten, negativ stroken, nicht Ok-Gefühl erzeugen. Also das wäre so ein Beispiel.

Jürg: Ja, und es ist ein schönes Beispiel. Wir haben ja auch in den letzten beiden Folgen zu Einschärfungen und Antreibern darüber gesprochen, dass diese destruktiven Anteile ja auch positive Seiten haben. Und das schilderst du mit diesem Beispiel sehr schön. Wenn es dir gelingt, in der  Ok-Haltung zu bleiben – das heisst, nicht ins Skript zu gehen -, dass das auch grosse Ressourcen sind, die du da mitgekriegt hast. Wovon dann auch andere Menschen profitieren. Und das ist ja auch das Schöne, du gibst das wiederum auch weiter, bist vielleicht ein Stück weit Modell auch für andere.

Christin: Genau. Und das liegt dann, auch wenn du nochmal in deine Historie gehst, auch dann möglicherweise an dieser Idee – und das beschreibt die Julie Hay an dieser unterstützenden elterlichen Haltung oder unterstützenden elterlichen Beziehung, die man erlebt hat. In  bestimmten Situationen oder über weite Strecken. Aus der man eben im wahrsten Sinne des Wortes schöpfen kann. Auf die man aufbauen kann.

Was gibst du anderen weiter?

Jürg: Ja, und ich denke, das ist ja spannend mal im Rückblick zu sehen: was habe ich von Eltern oder anderen Bezugspersonen mitgekriegt – also welche Unterstützung? Und wir könnten das jetzt auch umdrehen. Mal sagen: was gebe ich anderen Menschen weiter? Meinen Kindern, also wirklich den leiblichen Kindern. Oder auch – im übertragenen Sinn –  Menschen, mit denen ich arbeite. Sei das im Coaching, sei das im Seminaren, sei das in einem Unternehmen. Also auch mal die Autonomie-Matrix nehmen, um zu überlegen: Welche Werte sind mir wichtig? Was gebe ich weiter? Wo bin ich Vorbild, Modell? Und was können andere so von mir profitieren oder wie unterstütze ich sie? Das finde ich auch spannend, diese Autonomie-Matrix mal so noch für sich anzuschauen.

Christin: Genau. Und da bist du auch wirklich bei dieser Idee von: Auf was bin ich stolz? Was macht mich aus? Genau.

Autonomie-Pyramiden

Jürg: Und es gibt ja bei der Skript-Matrix auch die Version, dass mehrere Generationen eingezeichnet sind. Und das wiederum geht mit der Autonomie-Matrix auch. Dann geht's einfach nach oben.

Christin: Genau, und das ist wirklich diese Idee, auf den Schultern von anderen zu stehen. Und da Generation für Generation steht da sozusagen aufeinander oder übereinander und das macht dann diesen …

Jürg: Pyramiden

Christin: Ja, genau, das macht dann diese Stütze und diese Pyramide auch aus.

Jürg: Ja, und ich habe jetzt gerade so ein Bild gehabt, als du das nochmals gesagt hast, mit den Schultern, so ein kleiner Junge, der irgendwie auf den Schultern seiner Eltern steht und vielleicht über einen Zaun blicken kann dadurch. Wo er selbst nicht rüber sieht. Wir vermitteln dann auch Weite und Perspektive, wenn wir anderen diese Möglichkeit geben. Oder eben haben das selber erlebt, dass unsere Bezugspersonen uns diese Möglichkeit gegeben haben.

Christin: Ja, und auch – ich ergänze es nochmal – sehr schön auch dieses Wachstum, wird dadurch deutlich. Ich darf wachsen.  Und ich darf jetzt in diese Grösse hineinwachsen und das nutzen, was mir zur Verfügung steht oder/und es auch erweitern.

Perspektivenwechsel

Jürg: Und ich finde schön auch – nochmals zurück zu dem, was wir am Anfang gesagt haben, zu diesem Perspektivenwechsel – dass wir nicht die destruktiven Skriptthemen … die sind ja auch da. Es geht ja nicht darum, zu sagen: „Schwamm drüber, alles ist gut.“ Aber die Balance zu finden, auch mal darauf zu schauen: was habe ich denn alles Gutes gekriegt? Weil das hilft ja auch, sich zu versöhnen mit seinen Eltern, auch den verinnerlichten Eltern. Und das Skript nicht nur noch als Feindbild zu sehen, sondern zu sagen, ich habe auch viel Gutes mitgekriegt.

Christin: Ja, ja.

Jürg: Und dadurch wird wahrscheinlich auch die Arbeit mit destruktiven Anteilen einfacher.

Christin:  Ja, und ich finde auch, da ist die Idee … oder da sind wir näher an der Idee des Umgangs mit dem Skript als der Idee, dass Berne sagte, Autonomie ist Skriptfreiheit. Ich finde die Idee, zu sagen, es gibt zwei Seiten der Medaille, und sich immer wieder anzugucken, was mache ich damit – das finde ich eine passendere Idee, als zu sagen, du biegst links ab, dann bist du im Skript oder rechts ab, und dann geht's in die Autonomie. Obwohl die Julie Hay das auch mal so aufgeschrieben hat, als Matrix. Die finde wiederum sehr spannend, weil sie sehr gut zeigt, wie auch die TA-Konzepte zusammenhängen. Aber gleichzeitig sieht man es ist eher wie eine Landkarte, bei der ich auch immer wieder abbiegen kann. Und selbst von negativen Strokes kann ich zurück gehen und sagen, ich mache doch nochmal Transaktionen aus dem ER und gehe auf andere zu etc.

Jürg: Ja, ich glaube, es ist wirklich so. Da haben wir vor einiger Zeit – soviel es mir ist – auch schon mal darüber gesprochen, über Autonomie. Das ist nicht ein Ziel, das wir irgendwann erreicht haben und sagen, jetzt hab ich's. Sondern es ist mehr so die Richtung, in die wir gehen. Wir werden in der nächsten Episode das auch mal vertieft noch anschauen, anhand der Leitziele, die Leohnhard Schlegel definiert hat. Das ist die Richtung, in die wir gehen. Und da ist es nicht so wichtig, finde ich, wie weit, dass ich schon bin, sondern, dass ich unterwegs bin in Richtung Autonomie.

Christin: Ja.

Jürg: Und wirklich messbar ist es ja eh nicht, wie weit wir schon sind. Aber mehr Autonomie, das ist das Ziel.

Christin: Oder es ist zumindest für jeden Einzelnen dann messbar, in seiner Skala oder mit seinen Ideen.

Jürg: Und da ist diese Autonomie-Matrix von der Julie Hay sehr hilfreich, um sich eben diese positiven Aspekte nochmals bewusst zu machen und sie bewusst auch zu nutzen. Weil da komme ich ja auch dann weg von Skriptthemen, hin zu mehr Autonomie.

Christin:  Und im Sinne von einem Teil der Autonomie zunächst mal auf jeden Fall, zu dem Thema Bewusstheit. Und dann eben mich entscheiden zu können, was davon nehme ich, was davon nehme ich nicht, wie gehe ich damit um. Ja…

Jürg: Wir haben jetzt auch über verschiedene Darstellungen gesprochen. Wenn du, liebe Hörerin, lieber Hörer, das anschauen möchtest, dann findest du das alles auf transaktionsanalyse.online/046 für die 46. Episode. Da kannst du mal schauen, wie das dargestellt ist. Und kannst allenfalls auch nochmal nachlesen, was wir jetzt da besprochen haben.

Christin: Genau, und in diesem Sinne wünschen wir euch ein nachdenkliches, vielleicht auch positiv nachdenkliches Anschauen eurer Autonomie, eurer Autonomie-Beziehungen. Und …

Jürg: Und schreib doch in einem Kommentar rein, wenn du irgendwas entdeckst, das du postitiv auch von deinen Bezugspersonen mitbekommen hast – wenn du das magst. Es ist sicher spannend, für uns und auch für andere zu lesen. Oder auch ermutigend und anregend.

Christin: Und ansonsten freuen wir uns über Kommentare, Hinweise, Rückmeldungen sowieso am Ende der folge. Gerne auch Bewertungen bei iTunes. Also bis zur nächsten Episode…

Jürg: Bis bald. Tschüss.

Christin: Tschüss.


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